Keine Rückführung eines von der Mutter nach Deutschland entführten Kindes in die Ukraine
Ein in der Ukraine lebender Vater kann von der getrenntlebenden Ehefrau nicht die Rückführung eines von ihr ohne Einverständnis des Vaters aus der Ukraine nach Deutschland verbrachten Kindes, verlangen.
Der Sachverhalt:
Die gemeinsam sorgeberechtigten und jetzt getrenntlebenden Eheleute lebten bis März 2022 mit ihrer damals einjährigen Tochter in Odessa. Nach mehreren Fliegeralarmen, die die Eltern teilweise mit dem Kind im Auto in einer Tiefgarage verbracht hatten, begab sich die Mutter mit der Tochter ohne Zustimmung des Vaters nach Deutschland, was eine Kindesentführung i.S.d. Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) darstellt. Der Vater begehrte daraufhin beim AG – Familiengericht – die Rückführung seiner Tochter in die Ukraine. Die Mutter lehnt die Rückführung der Tochter ab, da die Rückführung in ein Kriegsgebiet zu gefährlich sei.
Das für Verfahren nach dem HKÜ international und örtlich zuständige AG wies die Anträge des Vaters ab. Die Beschwerde des Vaters, mit der er zusätzlich hilfsweise beantragte, dass die Tochter in die Republik Moldau verbracht werden solle, hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss des OLG ist nicht gegeben.
Die Gründe:
Eine Rückführung des Kindes in die Ukraine ist mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden (Art. 13 Abs. 1 b) HKÜ). Die Voraussetzungen dieser Härteklausel liegen bei einer Kindesrückführung in ein Kriegsgebiet vor. Um ein Kriegsgebiet handle es sich bei dem gesamten Staatsgebiet der Ukraine seit dem 24.2.2022, wie sowohl die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes als auch die aktuelle Medienberichterstattung zeigt. Dies gilt auch für die Westukraine einschließlich des Bereichs um Odessa. Es besteht daher eine konkrete Gefahr für das Leben des noch nicht zwei Jahre alten Kindes.
Eine Rückführung in die Republik Moldau kommt ebenso wenig in Betracht, da nach dem Grundgedanken des HKÜ und der Rechtsprechung dazu grundsätzlich nur eine Rückführung in das Land des bisherigen Aufenthalts eines Kindes möglich ist. Ausschlaggebend dafür ist, dass in dem Staat, in den das Kind rückgeführt werden soll, umgehend eine gerichtliche (Sorgerechts-) Entscheidung über den weiteren Aufenthalt des Kindes ermöglicht werden soll. Dafür wären die Gerichte der Republik Moldau jedoch nicht international zuständig, da das Kind dort nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.